50 Jahre Kreiskirchgemeinde Aarau

1972–2022 – die Gründung vor 50 Jahren

Turm der Kirche Peter und Paul in Aarau

Heute schauen wir zurück auf die Gründung der Kreiskirchgemeinde und der Ortskirchgemeinden Aarau, Buchs, Entfelden, Schöftland und Suhr im Jahr 1972. Die Vorgänge, die vor 50 Jahren zur Errichtung der neuen Organisationsform geführt haben, sind anlässlich des 25-Jahre-Jubiläums von 1997 im Aarauer Pfarrarchiv gut dokumentiert worden. Der nachfolgende Text ist dieser Dokumentation entnommen.

Am 1. Januar 1972 ist in der Kirchgemeinde Aarau das Reglement über die neue Organisationsform in Kraft getreten. Damit konnte 1997 des 25-jährigen Bestehens der Kreiskirchgemeinde und der fünf Ortskirchgemeinden Aarau, Buchs, Entfelden, Schöftland und Suhr gedacht werden. Dies ist gewiss ein geeigneter Anlass, in die damalige Zeit zurückzublicken und den seinerzeitigen Vorgängen und Überlegungen nachzugehen, die zu dieser neuen Organisationsform geführt hatten. Viele Kirchgenossen werden sich noch an jene Jahre zurückerinnern, als es darum ging, einerseits das Bau- und Garantiekomitee aufzulösen, andererseits den «Tochterpfarreien» von Aarau vermehrte Selbständigkeit zu gewähren.

Die vorher bestehende Ordnung der grossen Kirchgemeinde Aarau hatte sich mit der Zeit als zu eng erwiesen, um den Bedürfnissen der bevölkerungsmässig in den Fünfziger- und Sechzigerjahren stark gewachsenen Region gerecht zu werden. Bei der Neugründung der Kirchgemeinde im Jahre 1925 wollte man mit der Beibehaltung des Bau- und Garantiekomitees weiterhin sicherstellen, dass die kirchlichen Liegenschaften nicht mehr wie im 19. Jahrhundert dem römisch-katholischen Kultus entzogen werden können. Solange nur eine Pfarrei in Aarau bestand, mochte diese Lösung noch zweckmässig sein. Nach der Gründung der Tochterpfarreien und der damit verbundenen kirchlichen Bautätigkeit ergaben sich daraus aber zunehmende Konflikte; das Bau- und Garantiekomitee als privater Verein verfügte über den Grundbesitz, musste aber für den Landerwerb und die Bautätigkeit die Finanzkraft der Kirchgemeinde in Anspruch nehmen. Ebenfalls unbefriedigend war es, dass alle Stimmbürger – auch jene der Tochterpfarreien – wohl den Pfarrer von Aarau, nicht aber den für ihre Pfarrei zuständigen Pfarrer wählen konnten.

Im Einzelnen gab der Kirchenbau in Buchs und die Gründung des dritten Pfarrrektorates den Anlass, die Situation zu überdenken und nach einer Neuordnung zu suchen. Als entscheidendes Jahr kann 1965 bezeichnet werden; J. Meier-Vogel hat damals eine ausführliche Eingabe an die Kirchenpflege gerichtet, welche insbesondere in der Forderung nach Aufhebung des Bau- und Garantiekomitees gipfelte. An der Kirchgemeindeversammlung vom Juni 1965 ist sodann auf Antrag von O. Stemmle die Bildung einer Studienkommission beschlossen worden, welche die damit verbundenen rechtlichen und organisatorischen Massnahmen prüfen sollte.

Mit dem Einsetzen dieser Kommission sind die entscheidenden Weichen gestellt worden. Die Kirchgemeindeversammlung vom Dezember 1965 hat die Mitglieder dieser Kommission gewählt, wobei das Präsidium von Dr. W. Dober übernommen wurde.

Die Studienkommission hat im April 1966 ihre Arbeit aufgenommen und bis im Sommer 1970 16 Sitzungen abgehalten. An der Kirchgemeindeversammlung vom Juni 1967 ist ein Zwischenbericht vorgelegt worden, in welchem das Modell der heute geltenden Ordnung zur Realisierung empfohlen wurde. Es sollte eine dezentralisierte Lösung angestrebt werden und die bisher vom Bau- und Garantiekomitee wahrgenommenen Aufgaben sollten von einer Gesamtkirchgemeinde übernommen werden. Entsprechende Regelungen gab es bereits in anderen Regionen und Städten der deutschen Schweiz.

Die Stimmbürger gaben der Kommission durch die Zustimmung zum Zwischenbericht den Auftrag, entsprechende Vorarbeiten für ein solches Modell voranzutreiben. Es galt nun, die nötigen Rechtsgrundlagen zu schaffen und die Verhandlungen mit der Landeskirche einzuleiten, da eine Änderung des Organisationsstatutes notwendig war. Die entsprechenden Entwürfe wurden von Oberrichter Dr. W. Welti geschaffen, der als Vizepräsident Mitglied der Studienkommission war.

Im Mai und Juni 1969 sind in allen Pfarreien die Unterlagen für die Neuorganisation an Orientierungsversammlungen vorgestellt worden. Es zeigte sich dabei, dass das vorgeschlagene Konzept auf breite Zustimmung stiess, sodass an der Kirchgemeindeversammlung vom 16. Dezember 1969 alle Anträge der Studienkommission mit grossem Mehr angenommen wurden. Damit wurde der Weg frei für einen Antrag an die landeskirchliche Synode, eine entsprechende Änderung des Organisationsstatutes vorzunehmen, was im Juni 1970 erfolgte. Des Weiteren war noch eine Genehmigung durch den Grossen Rat notwendig, was im Januar 1971 geschah. Für die Erhebung der bisherigen Pfarrrektorate zu selbständigen Pfarreien gab das bischöfliche Ordinariat ebenfalls sein Einverständnis.

Mit dem Bau- und Garantiekomitee waren die Verträge auszuhandeln, womit die Vermögenswerte an Land und kirchlichen Gebäuden an die neu zu gründende Kreiskirchgemeinde übertragen werden sollten. Diese Verträge sind an der Kirchgemeindeversammlung vom 14. Dezember 1971 genehmigt worden. Damit waren alle Beschlüsse gefasst, und die neue Organisation konnte plangemäss zu Beginn einer neuen Amtsperiode der kirchlichen Behörden am 1. Januar 1972 ihre Existenz antreten.

Bald darauf löste sich das Bau- und Garantiekomitee auf, welches bis zum Schluss von Dr. U. Kaufmann präsidiert wurde.

Dass die neue Institution mit Kreiskirchgemeinde und fünf Ortskirchgemeinden jetzt immerhin 25 Jahre alt geworden ist, zweigt doch, dass sie sich im Grossen und Ganzen bewährt hat. Sie erlaubte den Pfarreien eine gewisse Selbständigkeit, ohne dass der Verband innerhalb der Region ganz aufgelöst werden musste. Sie führt dank dem einheitlichen Steuerfuss zu einem regionalen Finanzausgleich und vereinfacht die Einrichtung von regionalen Dienstleistungen. Ob eine noch stärkere Dezentralisierung oder eine völlige Trennung der Kirchgemeinde Aarau einmal sinnvoll und zweckmässig wäre, müsste die heutige oder die nächste Generation entscheiden.


10. Januar 2022 | Dani Schranz