Peter Bernd, Leiter der Pfarrei St. Johannes Buchs-Rohr: «Kreativität sollte immer von der biblischen Vision ausgehen.»

«Es braucht ein gegenseitiges Zusammentun.»

Am 8. Dezember findet in Buchs-Rohr die Einsetzung des neuen Pfarreileiters Peter Bernd statt. Nebst seiner Tätigkeit in der Pfarrei wird er Leitender Priester des Pastoralraums.

Dani Schranz: Bis vor wenigen Wochen warst du Pfarreileiter in Biel, davor in Frenkendorf-Füllinsdorf im Kanton Basel Landschaft. Welche weiteren Stationen in deiner Laufbahn haben dich geprägt?

Peter Bernd: Ganz klar die mehr als zwanzigjährige Ordensmitgliedschaft bei den Pallottinern von 1984 bis 2007. Dazu gehört auch die erste pastorale Zeit in Augsburg, zuerst als Diakon und dann als Kaplan. 1992 wurde ich ordiniert und kam 1996 in die Schweiz nach Fribourg. Da habe ich Philosophie studiert, was einen erheblichen Perspektivenwechsel gezeitigt hat – es eröffnete sich mir beispielsweise eine völlig andere Sicht auf das Mittelalter, eine Relativierung von Thomas von Aquin und damit verbunden eine Relativierung der vermeintlich «unabänderlichen» Theologie.

Was hat dich bewogen, in den Orden der Pallottiner ein- und dann wieder auszutreten?

Ich gehöre zu einer Generation, die stark kirchlich sozialisiert wurde. Mit Beendigung der Schule spürte ich einen starken jugendlichen Idealismus in mir. Ich wollte etwas für Menschen tun und für sie da sein. Und ich hatte eine Faszination dafür, wie man Kirche erleben kann. In der Nähe meines Wohnorts machte ich dann Bekanntschaft mit den Pallottinern und bin in den Orden eingetreten. Anlass für den Wiederaustritt war eine negative Erfahrung mit dem damaligen Provinzial. Der Orden mit seiner eigenen Struktur innerhalb der allgemeinen kirchlichen Struktur wurde mir angesichts meiner eigenen, kritischen Entwicklung zusehends zu eng.

Nun kommst du in einen grossen Pastoralraum mit fünf Pfarreien und einem heterogenen Angebot. Wo möchtest du in deiner Pfarrei Schwerpunkte legen?

Das ist momentan noch schwierig zu sagen. Es gibt ein Zitat von Hilde Domin, das ich gern verwende: «Ich setzte den Fuss in die Luft, und sie trug.» In Buchs wurde ich gleich zu Beginn mit der Tatsache von Sparmassnahmen und Stellenkürzungen konfrontiert. Das ist eine anspruchsvolle Situation, denn das Team mit drei pastoralen Mitarbeitenden ist klein. Also braucht es eine dauerhafte Entwicklung und eine Zusammenarbeit innerhalb des ganzen Pastoralraums.

Geringe finanzielle Mittel erfordern – oder fördern – ein hohes Mass an Kreativität in der Verkündigung.

Ich werde das, was mich beschäftigt, nach aussen bringen. Dazu gehört Grundsätzliches wie eine Website mit den wichtigsten Grundaussage zur Kirche vor Ort. Und dann werde ich sorgfältig sein in der Verkündigung beziehungsweise in der Vielfältigkeit der so genannt befreienden und emanzipatorischen Theologie. Das darzustellen ist herausfordernd. Man kann damit auf Resonanz stossen oder anecken.

Was ist mit Befreiungstheologie gemeint?

Die Befreiungstheologie entwickelte sich ursprünglich aus der Situation der armen Bevölkerung in Lateinamerika beziehungsweise aus der Auseinandersetzung der Kirche mit dieser Armut. Interessant ist, dass sich die Befreiungstheologie im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil entwickelt hat, welches als erstes aller ökumenischen Konzile die eigentliche, zentrale Botschaft des Evangeliums behandelte, nämlich die Rede vom Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit. Es geht dabei um die Entwicklung einer Gesellschaft, in der alle Menschen als gleichwertig angesehen werden. Das bedeutet, dass eine solche Theologie die Zeichen der Zeit im Lichte des Evangeliums deutet. In diesem einen Satz steckt im Grunde schon die Programmatik, die dann als vorrangige biblische Option zugunsten der Armen und Benachteiligten entwickelt wurde. Das ist eine ständige Herausforderung mit der eigenen Gesellschaft. Der Zustand unserer Gesellschaft ist alles andere als paradiesisch und kann nicht endgültig sein. Wie kaum je zuvor leben die Menschen in Angst, dass die Lebensgrundlagen weltweit bedroht sind. Da muss sich die Kirche als verbindende Stimme hörbar machen und sich vernetzen.

Nebst dem Amt als Pfarreileiter wirst du ebenfalls Leitender Priester im Pastoralraum. Welche Aufgaben kommen da auf dich zu?

Es ist vereinbart, dass die Rolle des Leitenden Priesters in den fünf Pfarreien sichtbar wird und ich in Kontakt trete mit den Menschen durch die «Feier des subversiven Sonntags». So wird die Eucharistiefeier gelegentlich befreiungstheologisch als Symbolhandlung definiert – gewissermassen als Gegenbild dazu, wie die Gesellschaft funktioniert. Damit ist mein Pensum schon fast aufgebraucht. Aber ich glaube, dass der gesamte Pastoralraum in Entwicklung ist und sich damit auch die Rollen und Aufgaben im gegenseitigen Einvernehmen verändern dürfen.

Wie kann sich der Pastoralraum entwickeln, damit er deinen Vorstellungen entspricht?

Ich finde es interessant, an verschiedenen Orten zu arbeiten, aber ich finde das Setzen von thematischen Schwerpunkten wichtig. Die Menschen vor Ort haben unterschiedlichste Begabungen. Die Pfarrei in Aarau beispielsweise ist gross genug, um vor Ort vieles zu entwickeln. Das gelingt in den kleineren Pfarreien weniger gut. Hier braucht es ein gegenseitiges Zusammentun und Zusammendenken. Sonst läuft man Gefahr, in immer gleichen kleinräumigen Abläufen steckenzubleiben und keine neuen inhaltlichen Akzente zu setzen. Es wäre meiner Meinung nach wichtig, dass man dies vermeidet. Das bedeutet auch: Im Reden übers Sparen allein liegt schon die Gefahr, eine Abwärtsspirale in Gang zu setzen. Da braucht es Kreativität. Und die sollte immer von der biblischen Vision ausgehen, aus der sich mutige Perspektiven finden lassen.


22. November 2024 | Dani Schranz