Kirche Jesu ist diakonische Kirche

Bild: Wegbegleitung Aargau

Was die Überschrift aussagt, wird für einige eine Binsenwahrheit sein: Dass aufhelfende persönliche Praxis im Miteinander, regelmässige Angebote wie Mittagstische, Gemeinwesenarbeit wie eine Gassenküche und diverse Vernetzung, professionelle Sozialarbeit im kritischen Gegenüber zur gesellschaftlichen Realität, politisches Statement in den verschiedenen Formen der Verkündigung zum Grundauftrag von Kirche gehört.

Nicht nur das: Die anderen kirchlichen Bereiche, Liturgie/Verkündigung, Unterricht, Gemeinschaft, dienen der Sammlung und Vergewisserung, während die Diakonie der Sendung von Kirche zugeordnet ist, einer Welt-anders, dem Reich Gottes Bahn zu brechen.

Ein Humanismus der Praxis

Der bedeutende Schweizer Befreiungstheologe Urs Eigenmann führt das Christentum auf seine Wurzeln in der prophetisch-messianischen Bewegung zurückführt: Auf jenen Jesus aus Nazareth, der das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit für die Erde proklamiert, der in Konflikt mit den Herrschenden gerät, in einem politischen Prozess verurteilt und am Kreuz der Römer hingerichtet wird. Auf die Befreiung der hebräischen Sklavinnen und Sklaven aus Ägypten. Auf die, die Gerechtigkeit statt kultischer Opfer forderten. Auf den einen biblischen Gott, der das Elend unzähliger Menschen sieht, ihr Schreien hört und der kommt, sie zu befreien.

Darum bestimmt Eigenmann das Christentum, das sich auf Jesus aus Nazareth beruft, als „Humanismus der Praxis“, bei dem die vielfältig Armen im Zentrum stehen. Kurz und einfach: Kirche ist Kirche Jesu Christi nur dann, wenn sie sich in ihrer Praxis, die Rede, Aktion, Denken und Bildung, symbolische Feiern und Gemeinschaft umfasst, unmissverständlich und hörbar an die Seite der Armen, Unterdrückten und Bedrängten stellt. Wenn sie in allem Sprechen, Singen, Beten und Tun menschenrechtlich wirkt.

Wegbegleitung und Kirchlicher Regionaler Sozialdienst im Pastoralraum

Zwei Beispiele für professionell getragene Diakonie im Pastoralraum sind der Kirchliche Regionale Sozialdienst, der in professioneller Beratung vielen Menschen, die anderswo durch die Maschen fallen, Perspektiven eröffnet, und die Wegbegleitung, ein Angebot für Menschen jeden Alters, die sich in schwierigen Lebenslagen befinden. Die Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter sind sehr motivierte, lebenserfahrene Freiwillige. Sie werden auf ihre lebensfördernde Aufgabe vorbereitet und dabei professionell unterstützt. Sie begleiten zielgerichtet auf einem Weg von bis zu achtzehn Monaten Menschen, die in einer Situation der Überforderung stecken, in einer Krise oder einer schwierigen Lebenslage: „Hilfe zur Selbsthilfe und Förderung.“ – Das ist Kirche unter und mit Menschen das kann und sollte ein tragender Pfeiler der Kirche von morgen sein. Allerdings sieht sich die Kreiskirchgemeinde derzeit unter dem Druck, dauerhaft Ausgaben zu sparen, so dass neben anderen Aufgaben und dem Pastoralraum auch Wegbegleitung und Sozialdienst damit konfrontiert sind.

Nur werden in wenigen Jahren schon viele „klassische“ kirchliche Stellen in Pastoral und Katechese aufgrund der Pensionierung der geburtenstarken Jahrgänge nicht ohne Weiteres mehr besetzt werden können, was zu längeren Vakanzen führen wird. Insofern wäre vielleicht um so mehr ein klares, auch finanzielles Votum für beide diakonische Angebote ein Votum für eine Kirche, die sich ohnehin mit neuen Berufen und der Förderung von Freiwilligen für neue Wege wird inspirieren lassen müssen.

Politisch-diakonischer Aufbruch der Kirche

Nur eine diakonische Kirche ist Kirche Jesu: Vom griechischen Wort her bedeutet Diakonie „Dienst“. In einer befreienden Theologie ist das ein umfassender Dienst, um auf allen Ebenen für das Leben von Menschen einzustehen und zu kämpfen.

Auch Liturgie/Verkündigung, Bildung und Gemeinschaft sollen diakonisch inspiriert sein. Diakonie ist die Basis, auf der alles andere ruht. Die Krise der „typisch“ kirchlichen Berufe wie Theologinnen und Katecheten kann zu einem Aufbruch für eine diakonischen Kirche der Zukunft bzw. für eine Zukunft von Kirche werden, die wieder aus ihren messianischen Wurzeln lebt und dabei „unerhört“ und hörbar politisch ist. Das gilt auch für den neuen Anlauf für eine Konzernverantwortungsinitiative und für alle anderen menschenrechtlichen Projekte, Aktionen und Initiativen, ganz so wie es Papst Franziskus tut. Diese Glaubwürdigkeit dürfen wir uns wünschen und gönnen.

Peter Bernd